30
Okt
2009

Lili und die Kinder

Lili liebt Kinder. Nicht nur ihre eigenen, darum hat sie auch Kindergärtnerin gelernt. Schon in der Ausbildung begegnete sie den ersten Schwierigkeiten: einen Praktikumsplatz an einem Steinerkindergarten zu finden war in der Schweiz praktisch unmöglich, darum lebte und arbeitete sie einige Jahre in Deutschland. Nachdem sie nun eigene Kinder bekommen hat, ist sie wieder zurück in die Schweiz gekommen in die Nähe ihrer Familie. So kann sie die Mutter unterstützen, wenn Lili mal wieder die Decke auf den Kopf fällt.
Warum Lili die Decke auf den Kopf fällt obwohl sie doch Kinder liebt und ihre eigenen doch um so mehr? Weil jedem, der dauernd nur mit Kindern zusammen ist, die Decke auf den Kopf fällt. Warum sie nicht arbeitet? Weil es in Bern, wie in den meisten Schweizer Städten, viel zu wenig Betreuungsplätze für Kleinkinder gibt. Selbst für den Kindergarten muss man sich auf lange Wartelisten gefasst machen, wenn man nicht schon in der 3ten Schwangerschaftswoche den Platz schon reserviert hat. Also findet die Kindergärtnerin Lili einerseits keine Arbeit, da es nicht genügend Kindergärten hat und andererseits könnte sie iher Kinder während ihrer Arbeitszeit nirgendswo betreuen lassen. Und das geht nicht nur Lili so. Das ist die Regel in der Schweiz. Wer was anderes will, bezahlt das teuer oder hat unverschämtes Glück.
Jetzt ist es aber so, dass ihre Kinder einen israelischen Vater haben und über Familien-Connections hat Lili von einer Tante ihres Mannes ein Angebot bekommen, in Jerusalem in einem Steinerkindergarten arbeiten und ihre Kinder in die Obhut einer Kinderkrippe geben zu können. Darüber hinaus bietet man ihr einen Sprachkurs an, der ihre Hebräisch-kenntnisse verbessern soll, aber man ist nicht entsetzt, wenn sie die Kinder zuerst in Englisch betreuut. Lili hat kein spezielles Glück mit diesem Angebot, es ist eher die Regel in Israel.
Kann es wirklich sein, dass eine Schweizerin "Reise nach Jerusalem" spielen muss, um Lebensumstände vorzufinden, die dem Umstand Mutter zu sein gerecht werden? Was ist los mit der Schweiz, dass sie auf einen anscheindend Anfang der 90er Jahre festgestellten Mangel an Betreuungsplätzen, so träge reagiert?
Wollen die Schweizer Frauen lieber zu hause bleiben? Haben sie so ein riesiges Soziales Netz, dass sie nicht auf externe Betreuung angewiesen sind? Reicht ein Lohn in der Schweiz für eine Familie zu ernähren? (das wäre mir neu) Gibt es nicht genügend Länder, die dieses Problem schon recht gut gelöst haben, an denen man sich orientieren könnte?

Hier noch zwei Zitate von 2006, die ich gefunden habe:
"Eine Studie des Nationalfonds2 beweist, dass das Kinderbetreuungsangebot völlig ungenügend ist. Allein im Vorschulbereich fehlen 50 000 Plätze. Eine ländervergleichende OECD-Studie3 empfiehlt der Schweiz unter anderem, die öffentlichen Ausgaben für familienergänzende Kinderbetreuung zu erhöhen."

und

"Das aktuelle Angebot an familienergänzenden Betreuungsplätzen reicht nicht aus. In fast allen Kantonen fehlt es an einem ausreichenden Betreuungssystem für Kinder aller Altersstufen. Für viele Eltern ist es schwierig und teilweise sogar unmöglich, einen Betreuungsplatz für ihr Kind zu finden. Es gibt in vielen Gemeinden entweder gar keine Angebote oder lange Wartelisten, insbesondere bei Betreuungsplätzen für Säuglinge und Kinder im Vorschulalter. Es braucht zudem spezielle Angebote während der Schulferienzeiten sowie Notfallplätze."

25
Okt
2009

Das Leben nach dem Tod

Im Moment kann ich zwei Menschen in meinem Umfeld beobachten, die dem Tod nur so grade eben von der Schippe gesprungen sind. Die eine ist die Gleitschirmpilotin, die einen Absturz nur so knapp überlebt hat und seit ein paar Wochen mit mehr gebrochenen Knochen als heilen im Spital liegt. Die andere hat einen Herzinfarkt erlitten und ihn nur überlebt, weil sie schon im Spital war und die Reaktionszeit auf den Infarkt praktisch Null war.
Beide scheinen die gleiche Schwierigkeit zu haben: zwar geht ihr Leben weiter, aber dennoch ist nichts mehr wie es war. Der Moment des Beinahe-Sterbens scheint nicht so schlimm zu sein, stärker die Angst in den Minuten / Sekunden davor, die aber mehr oder weniger dem Vergessen anheim fallen. Dennoch schliesst irgendetwas im Bewusstsein der Menschen mit dem Leben ab, so dass nach dem Ueberleben der eigentlich tödlichen Situation, der Anschluss nicht mehr gefunden wird.
Die Situation ist absurd: das Bewusstsein gaukelt Kontinuität vor, obwohl es einen Moment des "Unterbruchs" im Moment des Herzstillstandes gegeben hat, andererseits ist das alte Leben tatsächlich gestorben und nichts mehr ist, wie es vorher war.
Im menschlichen Bewusstsein scheint es keinen "Mechanismus" für das Ueberleben tödlicher Situationen zu geben (macht evolutionär ja auch keinen Sinn) als das Vergessen oder Verdrängen. Man kann nicht fühlen, dass man dem Tod knapp entkommen ist. Daran gibt es nur eine intelektuelle Annäherung. Ich selbst habe zwei Krankheiten erlebt, die ich ohne die moderen Medizin nicht überlebt hätte. Aber es gibt keinen "Ort" in meinem Bewusstsein, wo ich spüren könnte, dass dem so ist.

Der Absturz der Pilotin betrifft mich sehr. Einmal weil wir ihr das Fliegen beigebracht haben und ausserdem weil es zeigt, wie unberechen bar das Fliegen und der Pilot sind. Das Fliegen, weil man nie wissen kann wie turbulent oder nicht turbulent die Luft ist, in der man fliegt, da man sie nicht sehen kann. Der Pilot: weil trotz intensiven Trainings über dem See mit Spiralen, Fullstall etc und Notschirmwerfen, die Pilotin nicht fähig war in einer ausser Kontrolle geratenen Situation darauf zurückzugreifen.
Viele Piloten fliegen jahrzehntelang sicher bis ins hohe Alter mit den unterschiedlichsten Fluggeräten. Einige wenige machen Abstürze. Der Gleitschirmsport ist gegenüber anderen Sportarten (Basejumping, Speedflying, Motorradfahren) ein relativ Unfallarmer Sport. Aber es bleibt trotzdem dabei: wer nicht in die Luft geht, kann auch nicht runterfallen.
Für mich heisst das, dass ich in Zukunft nicht mehr Gleitschirmfliegen werde, da ich dieses Risiko nicht mehr eingehen werde. Schlecht, wenn das die Frau des Gleitschirmlehrers sagt..... aber für mich ist genug abgestürzt worden im letzten Jahr. Ich möchte keine Nummer in dieser Liste werden.

23
Okt
2009

Hinten gefällts mir am besten!

Hier wieder mal zwei Eindrücke von meinem laufenden Kurs an der Schule für Gestaltung in Bern:

Rueckenakt-stehend

eine Skizze, die ich gestern gemacht habe und

Pastellkreide

ein Versuch mit Pastellkreiden.

Im Laufe des Kurses habe ich herausgefunden, dass mich besonders Popos interessieren an den Modellen, die uns "vorgesetzt" werden. Natürlich gibts noch viele andere schöne Stellen am menschlichen Köfper, aber der Hintern hats mir besonders angetan...

20
Okt
2009

Verschwindende Paradiese

Ich lese im Moment das Buch "Maya oder das Wunder des Lebens" von Jostein Gaarder. Jostein Gaarder
Darin schreibt er:".... Je kleiner der Erdball wird, je mehr Nischen und Unternischen sich die Tourismusindustrie zulegt, desto stärker erwarte ich für den "Nekrotourismus" eine strahlende Zukunft: " Besuchen Sie den toten Baikalsee!", "Nur noch wenige Jahre, bis die Malediven untergehen!", oder: "Sie könnten als Letzter einen lebendigen Tiger sehen!" Es wird unendlich viele Beispiele geben, denn die Paradiese werden weniger und weniger, sie werden verdrecken und einschrumpfen, aber das wird den Tourismus nicht bremsen, im Gegenteil."
Abgesehen davon, dass ich ihm zustimme, weckt diese Ueberlegung in mir eine unbestimmte Angst nicht länger mit dem Reisen mehr warten zu können (im Moment werde ich vor allem durch unsere beiden Hunde gebremst). Ich möchte noch so vieles von dieser Welt sehen, obwohl ich schon recht viel gesehen habe. Ich möchte Korallenriffe sehen und nicht nur ihre ausgebleichten Skelette. Ich möchte mal durch einen richtigen Dschungel laufen und nicht nur die letzten Baumstümpfe betrachten und mir den Rest dazudenken müssen. Ich möchte mal nach Feuerland und einsam sein und mich nicht über Klopapierfahnen in den Büschen ärgern müssen (das zumindest ist im Moment nicht so wahrscheinlich...). Es ist schon so vieles entdeckt und damit zerstört worden, dass mich immer das Gefühl plagt "zu spät" zu kommen. (Was werden erst unsere Kinder denken?)
Aber natürlich ist mein Wunsch diese Dinge zu sehen ein zweischneidiges Schwert, da ja genau durch dieses Reisen so vieles zerstört wird. Wie also sollte man sich verhalten? Wäre es der Welt zu liebe sowieso nicht besser auf Fernreisen mit dem Flugzeug zu verzichten und sich nur in der näheren Umgebung zu bewegen? Die Neugier auf von mir noch nicht entdeckte Welten bleibt aber.

18
Okt
2009

In einer anderen Galaxis

Die letzte Woche wurde ich mit doppeltem Besuch aus Deutschland beehrt: meine Cousine und meine Nichte kamen und staunten und bekamen so manches Schweiz-Klischee bestätigt.
Für mich war es die Erfahrung schon mehr Schweizerin zu sein, als mir bewusst ist. Viele Dinge, bei denen die beiden zu Kommentaren hingerissen wurden oder die ihnen als klischeehaft erschienen, kamen mir weder sonderbar noch als typisch schweizerisch vor, sondern einfach nur "normal".
Hier die hübsche Liste mit den Schweiz-Highlights meiner Verwandtschaft:
Kühe mit Glocken erregten Heiterkeit (ich hatte vergessen, dass Kühe in Deutschland offenbar keine Glocken tragen)
frisch gefallener Schnee auf den umliegenden Bergen bekamen Ah's und Oh's
die "i"s an vielen Bezeichnungen (Beizli, Badi....) ernteten Gekicher
Füchschens Versuche Hochdeutsch zu reden verlangte nach Uebersetzung
Ein Marsch zum Steingletscher viel unter den Begriff "Bergtour"
Der Nummernschilderwechsel (Wechselnummern bei zwei Autos) wurden mit der ängstlichen Frage "darf man das denn?" quittiert
Das Tanken mit der Kreditkarte an der unbesetzten Tankstelle erstaunte (echt! da war selbst ich erstaunt, dass das in Deutschland scheinbar nicht Usus ist)
Das Schoggi-Reagal im Discounter war ein Foto wert
Schoggiregal im Discounter
Das Käseregal stiftete Verwirrung
und das jeweils erste Käsefondue liess die Mägen durchhängen

So wurden die paar Tage selbst für mich zu einer Reise in eine unbekannte Welt.

13
Okt
2009

Wertvolle Gesundheit

Am Gesicht konnte man M. (Wüstenfuchs' Mann) ablesen, dass dieses Telefonat keine guten Nachrichten gebracht hatte: eine ehemalige Schülerin war vor zwei Wochen, als wir in den Ferien weilten, abgestürzt. Zwar war ein Pilotenfehler die Ursache und der Absturz wäre vermeidbar gewesen, aber dennoch sind das die Momente, in denen ich felsenfest überzeugt bin, dass ein Pilot in der Familie mehr als genug ist. Wer nicht in die Luft geht, kann auch nicht runterfallen!
Die ehemalige Schülerin hat den Unfall überlebt, aber liegt seit dem schwerstverletzt im Spital und die Folgen des Unfalls sind noch nicht abzusehen. Ehrlich gesagt, hänge ich mehr an meiner Gesundheit und den damit verbundenen Möglichkeiten, als an der Lust des Fliegens. Ich glaube nicht, dass ich erst mein Augenlicht oder die Fähigkeit zu gehen verlieren muss, um herauszufinden wie wertvoll sie sind.

10
Okt
2009

Schwein gehabt!

Gestern habe ich mir ein besonders dickes Schwein geleistet oder anders gesagt: wirklich Glück gehabt!
Auf dem Nachhauseweg vom shoppen kippte im ersten Kreisel nach dem Einkaufzentrum der Sack mit den Einkäufen um und ich konnte noch hören wie sich ein paar Sekunden später ein Hundkörper auf dem Chipssack niederliess. Also fuhr ich rechts ran, Klappe auf, Hund von Chips runterlotsen, Zeugs wieder einpacken, Klappe zu. Dann durch den nächsten Kreisel und mit 80 Sachen auf die Autobahn, beschleunigen und ab nach hause. Irgendetwas bringt mich dazu in den Rückspiegel zu schauen und ich stutze. Warum haben die Hunde so flatternde Haare? Ich schaue genauer (was man ja beim Blick in den Rückspiegel nicht allzu lange tun kann, da man ja immerhin mit 120 km/h vorwärts fährt). Ich schaue noch mal und mich trifft fast der Schlag: der Kofferraumdeckel ist offen! Ich verlangsame und fahre auf den Pannenstreifen und springe aus dem Auto. Den jüngeren Hund kann ich gerade noch daran hindern herauszuspringen, der ältere liegt gelassen da und scheint sich über meine Hektik zu wundern. Ich knalle den Deckel zu, setze mich wieder auf den Fahrersitz und zittere mal eine Runde. Links von mir rast Auto um Auto vorbei. Nicht auszudenken, wenn der Hund auf die Fahrbahn gesprungen wäre!
Ich beginnte ernsthaft über Hundeboxen nachzudenken, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie zwei davon in unser Auto passen sollen.

9
Okt
2009

Zurück im Bau

Da sind wir wieder!
Da das Abschreiben meines Sardinien-Blogs ein Weilchen gebraucht hat, erst heute mein erster Eintrag nach den Ferien.
Für alle, die es interessiert hier mein Blog:Sardinien-Blog (doc, 44 KB)
Wüstenfuchs

Berner Platte und Chuchichäschtli

Die Schweiz, ihre Klischees, ihre Kultur und Politik durch die Augen einer Deutschen gesehen.

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