Das Leben schreibt die schönsten Geschichten

4
Feb
2009

Landei auf grosser Fahrt in die noch grössere Stadt

Gestern hatte ich meinen ersten Kurstag an der Berner Schule für Gestaltung. Ich gönne mir dort ein paar Zeichenkurse um mein Hirn und meine Hand mal wieder auf Vordermann zubringen. Da der Weg mit dem Zug günstiger ist, habe ich mir nach 8 Jahren Abstinenz mal wieder ein Halbpreis-Abo (oder wie wir Schweizer sagen:"ein 1/2-Tax-Abi") geleistet. Pünktlich um 17.36 stand ich am Bahnhof und der Zug war auch da, wie verabredet (Im allgemeinen sind die Schweizer Zuge relativ pünktlich. Speziell wenn man es mit der DB vergleicht. Aber in diesem Fall konnte man das auch erwarten, da ich 2 Stationen nach dem Startbahnhof eingestiegen bin...). Da sass ich also mit meiner nigelnagelneuen Fahrkarte und freute mich wie ein Kleinkind über die aufregende Fahrt in die grosse Stadt. Der Zug war gut gefüllt und beim zweiten Halt konnte man getrost von ausgelastet sprechen. Skifahrer und Border standen dicht gedrängt, die Tür vom Abteil schnappte alle 20 Sekunden auf und kurz drauf wieder zu, da man nicht verhindern konnte in der Lichtschranke zu stehen.
Ich versuchte in meinem Buch "Lasst die Bären los" von John Irving zu lesen, aber da ich es nicht mehr gewohnt bin, unweigerlich halbe Lebensgeschichten von anderen Meschen mitzubekommen, konnte ich mich nur schwer konzentrieren. Und das mir! Ich habe meine halbe Jugend im Münchner Nahverkehr verbracht und dabei die ganze Stadtbibliothek leergelesen....! Aber ich sage ja: Landei auf grosser Fahrt!
An der zweiten und letzten Station vor Bern entspannte sich die Lage und ich konnte John die Aufmerksamkeit schenken, die er verdient.
Bern Hauptbahnhof, mittlerweile 18.23, saumässiges Gedränge auf den Bahnsteigen und im Bahnhofsgebäude. Ich komme mir vor, als würde ich in einem wilden Strom gegen die Strömung schwimmen. Ausserdem muss ich den Reiz jeden zu grüssen unterdrücken. Nach dem ich grussunerfahren vor 19 Jahren in die Schweiz einwanderte, kann ich jetzt das Grüssen nicht mehr lassen. Wer hätte das gedacht!
Der Weg am Bahnhof entlang über die Lorrainebrücke, das Panorama der Stadt, in der ich 13 Jahre gelebt habe, rechter Hand, weckt heimische Gefühle. Der Kurs eine Wucht und genau das, was ich gesucht habe (aber dazu an anderer Stelle).
Auf der Rückfahrt, mit der Euphorie von ein paar durchmalten Stunden im Blut, erreichen wir schneller als gedacht Spiez. Hier muss ich jetzt den Bus nehmen, da der ICE an meinem Kaff um diese Zeit nicht mehr hält. Im Postauto fühle ich mich dann schon wieder heimisch: von den etwa 15 Fahrgästen kenne ich zwei (es wird natürlich gegrüsst), dann grüsst der Fahrer seine Gäste und macht noch ein paar Witze. Die Aussteigenden an der ersten Station wünschen lauthals der weiterfahrenden Mannschaft "en gueten Abig!" und ich muss für mich grinsen, denn in den Bussen meiner Kindheit wäre das undenkbar gewesen.
Meine Fahrt endet am Provinzbahnhof und unter einem sternenklaren Himmel. Ich denke "schön!" und freue mich schon auf die nächste Fahrt nächste Woche.
Kleine Schlussfolgerung: wer insgesamt 3 Stunden Weg für 2 Stunden Kurs cool findet, muss Mutter sein und schon lange nichts mehr alleine und für sich gemacht haben.... oder bescheuert.

25
Jan
2009

Juhu, wieder Sonne!

das erste Mal wieder Sonne
Heute hatten wir zum ersten Mal seit 8 Wochen (gefühlte 4 Monate) wieder Sonne in unserem Teil des Dorfes! Was für eine Wohltat unter dem Dachfenster im Büro zu stehen und die Sonne auf sein Gesicht scheinen zu lassen. Es gibt Bereiche im Dorf, die den ganzen Winter Sonne haben, aber der Dorfkern, in dem wir wohnen, liegt im Schatten des höchsten Gipfels der Bergkette hinter uns. Und heute war der Sonnenstand zum ersten Mal hoch genug, um uns 10 Minuten Natursolarium zu schenken! Juhe!

2
Jan
2009

eine verspätete Sylvestergeschichte

unser Hund am Salto springen II

Dieses Bild wollte ich euch nur zeigen, weil ich es so cool fand! Unser Hund macht Saltos (Salti, ich weiss. Aber das klingt so hochgestochen....), wenn man ihm Schnee schmeisst oder mit Wasser spritzt. Im Bilderalbum "Meine Lieblingsbilder" ist noch eines.

Jetzt aber zu meiner verspäteten Sylvestergeschichte.
Angefangen hat alles damit, dass ich aus lauter Schlappheit eine Einladung zu einer Sylvesterparty bei einer Freundin in Fribourg wieder absagte. Wir waren den ganzen Tag draussen gewesen und nach der vielen kalten Luft sah ich mich ausser Stande bis 00.00 durchzuhalten.

Weil mir aber der Interlakener Anzeiger in die Finger fiel und die Worte "....findet um 18.00 Uhr ein Feuerwerk auf der Höhenmatte statt" ins Auge stach, machten wir uns also doch noch auf um irgendetwas sylvestriges zu machen.

Auf der Höhenmatte angekommen (um 17.59) musste ich zugeben, dass entweder der Anzeiger falsch informiert war oder ich ihm falsche Informationen entnommen habe. Letzteres traff natürlich zu. Ich hatte die wesentliche Information, dass das Feuerwerk am 1.1.09 stattfinden sollte nicht akzeptiert, da völlig unlogisch. Warum am 1.1. und nicht am 31.12.? Naja, Oberländer halt....
So gingen wir unverrichteter Dinge und einem missmutigen Kleinkind im Schlepptau wieder nach hause.

Da die Müdigkeit nicht nachgelassen hatte, stiegen wir mal ins Bett. Kaum war der Kleine im Land der Träume, das Licht gelöscht und meine Gedanken wohlig am abschweifen, läutete das Telefon! Meine Schwester. Ein Anruf um 22.00 Uhr in der Sylvesternacht ist eigentlich nicht besonders spät, aber naja...gefreut habe ich mich natürlich trotzdem.

Dann wieder ins Bett. Die ersten Kracher waren schon in der Ferne zu hören und damit ging die Unterhaltung weiter. Unser Hund kam mit eingekniffenen Schwanz ins Schlafzimmer und suchte sich zitternd ein sicheres Plätzchen. Dieses Plätzchen meinte er genau auf meinem Kopfkissen bzw. auf meinem Kopf zu finden. Und wie ihr oben sehen könnt ist er kein Rehpinscher. Nachdem ich ihn vom Bett gescheucht hatte, kroch er unter das Bett, von dem ich gedacht hatte, dass nicht mal ein halb so grosser Hund drunter passen würde.

Kaum war ich am abdriften, kündigte sich das nächste Event an: Die Leissiger "Treichler" bahnten sich einen Weg durch die nun immer dichter fallenden Schneeflocken. Was Treichler sind? Jaaa, das sind ein paar Jungs, die sich ihre grössten Kuhglocken geschnappt haben und ihm rhythmischen Gleichschritt durchs Dorf trampeln. Schon 3 solcher Glocken erzeugen, auf diese Weise benutzt, einen Heidenlärm. In diesem Fall waren es auf jeden Fall mehr.

Kaum war das vorüber und ich tatsächlich eingeschlafen, kam die unvermeidliche Mitternacht. Kurz davor kündigte die Kirche an, dass ihr Pfarrer fit und fidel auf der Kanzel stehe und bereit sei für seine Mitternachtsmette. Und dann natürlich Böller und das war ehrlich gesagt das einzige, das ich auch erwartet hatte. Wie immer hatte unser Nachbar die dicksten und lautesten Böller gekauft und liess sie direkt über unserem Haus ab, was diverse Raketenüberreste auf dem Dach am nächsten Morgen bewiesen.
Da dachte ich "was für ein Glück, dass zumindest der Kleine nicht aufgewacht ist..." und "soooo und jetzt ist Ruhe"

Fast. Da der Schneefall ausgerechnet in dieser Nacht beträchtlich war, kam natürlich gegen (sehr frühen) Morgen unser geliebter Gemeindearbeiter mit seinem Schnee-Schnuzi daher und kratzte mit bekanntem Eifer den Schnee inklusive Teer von der Strasse.

Tja, und dann wars auch schon wieder hell.

Ich hoffe ja nur, dass das kein Omen für das begonnene Jahr war!

22
Dez
2008

Kurz vor knapp

vor einer Woche Schnee, jetzt wieder Frühling

Meine Strasse ist sehr kurz. Gerade 4 Häuser stehen dran und 17 Menschen leben darin. Seit ein paar Wochen einer weniger. Er war der Bewohner des ersten Hauses und auch der älteste: fast 100 Jahre ist er alt! Jetzt lebt er seit geraumer Zeit im Altersheim, da er jetzt so gebrechlich ist und nicht mehr von seiner .... ja wem: Frau? Lebenspartnerin? Freundin? versorgt werden kann.

Aber der Reihe nach. Gestern abend hatte ich ein Gespräch mit eben dieser Nachbarin, deren "Bezeichnung" nicht ganz klar scheint. Sie erzählte auf nachfragen, dass sie mit dem alten Herrn, nennen wir ihn Herrn Schmocker, seit etwa 14 Jahren zusammen sei, aber dass sie niemals geheiratet hätten, da die Familien diese Beziehung nicht gebilligt hätten. Dazu ist zu sagen, dass sie 22 Jahre jünger ist als er und damit wahrscheinlich gleich alt wie seine Kinder. Ausserdem war er - nach Adam Riese - 85 als er mit ihr zusammen kam. Späte Liebe wird ja oft schräg angeschaut, da man Sexualität und Liebe bei Uralten als "unästhetisch" empfindet...

Auf jeden Fall hätten sie wohl gerne geheiratet, aber konnten sich nicht über die Meinungen von anderen hinwegsetzen.
Ich stelle mir vor wie es wäre, wenn sie es jetzt, kurz bevor er sterben wird, doch täten und wie die Familien Amok laufen würden... diese Fortsetzung dieser Geschichte aus dem Leben wäre meiner Meinung nach die schönste. Nicht weil ich heiraten für so lebenswichtig halte, sondern nur weils mir gefallen würde, wenn man sagen könnte, dass es nie zu spät ist, sein Leben umzukrempeln. Aber wie es scheint wählt man im Allgemeinen doch eher den bequemsten Weg und nicht den Weg der eigenen Ueberzeugung.

19
Dez
2008

Das Leben schreibt die schönsten Geschichten 1

Vor ein paar Tagen waren wir mit einem Freund, der sich für eine grössere Liegenschaft interessierte, eben diese besichtigen. Da wir seit ein paar Jahren einige Umbauten gemacht haben und ein paar Wohnungen betreuen, hat er uns als kompetent genug betrachtet, um ihm bei der Beurteilung der Liegenschaft behilflich zu sein.

Bei der Liegenschaft handelt es sich um ein Hotel, dass seit 50 Jahren in den Händen der jetztigen Besitzerin ist, die ich auf ungefähr 80-85 schätzen würde.

Auf der Strasse begrüsste uns einer ihrer Söhne, der gerade am Schnee schippen war und führte uns zu seiner Mutter. Schon im "Empfang" des Hotels sah es aus als wäre die Zeit stehen geblieben und und hätte eine Menge Gerümpel vergessen. Hier Prospekte von diversen Adventure-Aktivitäten, dort eine halbverkümmerte Pflanze. Ein alter Sessel dem Eingang gegenüber sollte wohl einladend aussehen, aber er sah eigentlich nur alt aus.

Dann begann das Palaver! Der Sohn erklärte und entschuldigte den Zustand des Hauses, seine Mutter erklärte dazwischen bis mein Mann vorsichtig fragte, ob man denn das Haus auch mal von oben bis unten sehen könne. Zu diesem Zweck seien wir schliesslich da.

Der Sohn ging voran. Das "Hotel" entpuppte sich als Absteige der alleruntersten Klasse. Auf den Gängen gesammelte Brockenhaus-Möbel und -Teppiche, in den Zimmern zusammengewürfeltes Mobiliar und eingebaute Duschkabinen, die schon reichlich Lack gelassen hatten. Da wären mir sogar 25,- CHF zu viel gewesen.

Unsere Odysse ging weiter. Parterre, 1ter bis 2ter Stock waren alle so ähnlich in ihrem Durcheinander, dass man aus dem Fenster schauen musste um festzustellen, auf welcher Höhe man sich befand. Dann im 3ten Stock ein "Appartment" mit Küche. Essensreste aus Vorzeiten auf den Tellern in der Spüle. Jeder Hobbyarchäologe hätte seine Freude gehabt! Der Rest des Stockwerks war unbenutz, naja sagen wir jedenfalls nicht bewohnt. In allen Zimmern stapelten sich Kartons und Zeug aus den letzten 50 Jahren. Gut gab es eine Türe hinter der alles aus dem Gesichtsfeld verschwand!

Im Treppenhaus hingen dicht an dicht alte Bilder, von denen die Mutter behauptete darunter seien ein Lüscher, ein oder zwei Anker und auch noch ein Hodler... insgesamt habe sie Bilder im Wert von 250'000,- CHF....

Die Dachwohnung (auch unbewohnt durch Menschen) glich ebenfalls einer ausgedehnten Müllhalde aus alten Möbeln, Rasierschaum, Werkzeugen und einer Mäusemumie.

Wärend unserer Reise durch Zeit und Unrat erzählten die beiden ihre halbe Familiengeschichte. 6 Geschwister, zerstritten untereinander, darunter ein Multimillionär. Die Familie habe hier und dort noch ein paar Wohnungen und ein Chalet im Wallis. Kaum verschwand der Sohn in einer Wohnung, meinte seine Mutter zu mir:"Der ist ja auch nie da, wenn man ihn braucht! Ich habe 6 Kinder gehabt, aber wozu überhaupt? Im Alter sind sie ja dann sowie so nicht da, wenn man sie braucht...." Schöne Familie: wenn man denen den Rücken zudreht, dann reden sie schlecht von einem....

Als wir das Haus nach, wie mir schien, Stunden wieder verliessen, waren wir alle drei ein wenig geschockt. Nicht von der vermüllten Liegenschaft, die immer noch als "Hotel" betrieben wird, sondern von dieser unglaublichen Familie. Den Müll kann man sich wegdenken und überlegen, was die Liegenschaft wert ist, aber bei dieser Familie kann man sich gar nichts wegdenken. Das wenige, das wir gehört haben, klang schon so kompliziert und misslungen, dass ich mir nicht vorstellen kann wie sich das Leben die Fortsetzung dieser schon endlos dauernden Soap vorstellt. Falls unser Freund den Kauf dieser Liegenschaft tatsächlich erwägt (und dazu haben wir ihm geraten, da er ja die Familie nicht mitkauft), dann werden wir die nächsten ein oder zwei Folgen erfahren.
Wüstenfuchs

Berner Platte und Chuchichäschtli

Die Schweiz, ihre Klischees, ihre Kultur und Politik durch die Augen einer Deutschen gesehen.

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