7
Sep
2010

Konkurrenzkampf

Gestern am Sporttag der Schule und des Kindergartens habe ich mich ernsthaft zu fragen begonne, wozu Wettkämpfe eigentlich gut sein sollen.
Für 5jährige Kinder ist verlieren eine schlimme Sache, da in diesem Alter alle Situationen emotional interpretiert werden. Sprich: der kleine Kai ist langsamer als sein Freund beim Wettrennen. Und weil er das schon im letzten Drittel des Rennens erkennt, fängt er schon auf dem Weg ins Ziel an zu weinen. Füchschen ist knapp nicht so schnell wie sein "Gegner" (der eigentlich sein Freund ist!), ist aber immer noch der Zweitschnellste von allen. Aber dieser zweite Platz hat schon einen bitteren Geschmack von Versagen und auch er muss sich auf die Lippe beissen, obwohl er toll gerannt ist.
Da frage ich mich doch, was das soll. Denn auch nach dem 10ten Wettkampf werden 5jährige "Sieg" oder "Niederlage"(beginnend mit dem 2ten Platz...) emotional auslegen. Da gibt es kein Training. Zur Abstraktion, dass das jetzt nicht so wichtig ist, sind sie erst mit ungefähr 8-10 Jahren fähig. Ist das Ziel jetzt dem einen Kind, das das Beste ist ein Wohlgefühl zu verschaffen und dem Rest so ein Gefühl von nicht-ganz-genügen oder ist es nicht eigentlich die Idee, den Kindern Freude an der Bewegung und am Sport zu vermitteln?
Ich selber erinnere mich mit 13 oder 14 Jahren (also schon längst fähig zur Abstraktion) in Judowettkämpfen von akuter Sinnlosigkeit befallen worden zu sein, weil ich meine "Gegnerin" "besiegen" sollte. Gekämpft habe ich gerne, weil ich Freude an dieser Art der Bewegung hatte, aber gewinnen war mir absolut wurscht. Gefreut habe ich mich, wenn mir im spielerischen Kampf ein perfekter Wurf gelang. Aber es war nicht das Gefühl von "den Gegener erledigt zu haben", sondern das Gefühl Kontrolle über komplizierte Bewegungen zu haben, das mir Befriedigung verschafft hat.
Mir ist klar, dass da nicht alle gleich ticken, aber bei kleinen Kindern finde ich Wettkämpfe absolut unnötig, vor allem, wenn der Kleinste der 5jährigen gute 1,5 Köpfe kleiner ist als Füchschen und sein schneller Freund. Das ist dann noch nicht mal gerecht.
Ein paar Väter, mit denen ich geredet habe, waren der Meinung, man müsse die Kinder halt schon früh auf den Konkurrenzkampf "da draussen" vorbereiten und verlieren müsse gelernt werden. Vielleicht hätte ich dem bis vor kurzem noch unbedacht zugestimmt, aber jetzt kommen mir doch Zweifel über die Rechtmässigkeit dieser Behauptung. Konkurrenz ist ein Teil unserer Kultur, den wir unhinterfragt hinnehmen, aber es scheint ja durchaus Kulturen zu geben, die Konkurrenz nicht kennen (laut Jean Liedloff die Yequana-Indianer).
Ich bin dafür Durchhalten zu erlernen und gegen das eigene Aufgeben-wollen anzukämpfen, aber gegen andere.... Besser würde mir erscheinen MIT anderen als gegen sie. Im Karate gibt es eine Uebung, die man in einer grösseren Gruppe macht und die auch nur dann wirklich gut funktioniert: alle stehen in sehr breitem Stand mit leicht gebeugten Knien (so als würde man gerade aufs Klo absitzen wollen). Am Anfang erscheint diese Uebung als sehr einfach, aber spätestens nach einer Minute ist man überzeugt es keine 10 Sek. mehr auszuhalten. Aber dank der Gruppe, die ebenfalls versucht durchzuhalten, hält man selber es viel länger aus, als man jemals gedacht hat. So eine Art der Konkurrenz MIT anderen schwebt mir vor. Da habe ich selber viel gelernt. Beim verlieren eines Wettrennens eigentlich nie sehr viel....ausser wie ich meine Tränen runterschlucke.

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romeomikezulu - 8. Sep, 22:13

Das ist wahrscheinlich so ein "Männer-Ding", dass wir Konkurrenzkämpfe mit klaren, domierenden Siegern für gut und erstrebenswert halten (It's a man's world ;-).

Das Karate-Übung-Beispiel ist leider kontraargumentativ ausgewählt :-) - es ist ein Stück weit die Versagensangst vor der Gruppe, die Einen befähigt, noch ein paar Sekunden länger auszuhalten - pures Gewinnerstreben also :-)). Sorry ;-)

Es ist ist sicher ein gesunder Mix aus "Mit"einander und "Gegen"einander, der eine Erziehung ausmacht, die das Kind ordentlich auf die Welt "da draußen" vorbereitet.

Solange die Welt so ist, wie sie ist, sollten wir unseren Kindern nicht den Eindruck vermitteln, sie kämen durch ein reinrassiges "Mit"einander irgendwie zu dem, was wir landläufig in den Erziehungen als "Erfolg" bezeichnen (und hey, wir haben es hier in Europa noch so was von gut und easy, das ist im Vergleich zu anderen Kontinenten und Kulturen fast schon Ponyhof).

Das ist nämlich leider nicht der Fall - vielmehr sollten Heranwachsende beide Seiten und Techniken kennengelernt haben. Zusammen mit einer auf sozialem Fairplay und anderen Werten basierenden Erziehung werden sie dann, im Erwachsenenalter, schon selbst entscheiden können, zu welcher Art von "Waffe" sie zu greifen bereit sind.

Oder anders gesagt:
Die Eltern von Zuhältern haben sicher was falsch gemacht.

Aber es wird schon irgendwo seinen Grund haben, dass die Yequana-Indianer heute eben nicht die Weltherrscher sind ;-).

Und es hat auch seinen guten Grund, dass man in der Erziehungspsychologie Vätern den Rat gibt, dass sie in spielerischen Kämpfen mit ihrem Nachwuchs durchaus ein Bisschen Hin-und-Her-Gerackere zulassen, aus diesen Spielen aber stets und ausnahmslos als Gewinner hervorzugehen haben - damit klar ist, wer die Hosen an hat und wer die Alpha-Respektsperson ist.

Wüstenfuchs - 9. Sep, 17:15

Was den Mix aus mit- und gegeneinander betrifft stimme ich dir zu. Das lässt sich wohl nicht vermeiden. Aber die Frage ist, ab wann man die Kids in den Konkurrenzkampf schicken sollte. Für mich ist Kindergarten noch viel zu früh. Und für mich selber wars nie soweit, dass ich es cool fand. Herausforderungen hingegen fand ich schon früh toll.
Was die Karateübung betrifft stimme ich dir zwar nicht zu, weils für mich nicht so war, aber ich gebe zu, dass man es auch so sehen kann. Und als Mann wirst du es wahrscheinlich so sehen...;-)
Apropos Weltherrschaft: Könnte schon fast wieder als Argument für meine softe Gesellschaft gelten. Denn auf was genau sind wir so stolz, wenn wir "modernen" Menschen so stolz auf unsere Weltherrschaft hinweisen? Weil wir so prima im Ausbeuten und Unterdrücken von anderen Menschen sind? Oder weil unsere "homo sapiente" Umweltzerstörung so toll geklappt hat? Oder weil unsere agressive und konkurrenzbetonte Gesellschaft sich selbst Jahr um Jahr in den Zahlen von Selbstmord und Geistesgestörtheit topt? Man könnte dagegenhalten, dass ohne Konkurrenz keine Weiterentwicklung stattfindet, wie man ja gerade bei den indigenen Völkern sieht. Aber ich frage mich, was uns die Weiterentwicklung (von Technik zB) eigentlich gebracht hat ausser Zeitersparnis. Mehr Glück? Wage ich zu bezweifeln.
Und bei dem Erziehungsratgeber, den du da in den Fingern hattest, habe ich den Verdacht, dass es sich um ein Hunderziehungsbuch handelt und nicht eines für Kinder....Ich glaube, dass ein Vater, der im spielerischen Kampf seine Dominanz beweisen muss, wahrscheinlich sowieso keine Autorität hat.
Wüstenfuchs - 9. Sep, 17:17

Ein Freund aus facebook kommentiert:

"du sprichst mir aus dem herzen! genau dieselbe empfindung hatte ich bei jeder sportart die ich ausübte. als ich dachte, es liegt am einzelkampf ging ich zu basketball über... naja, man freute sich gemeinsam und tröstete sich gemeinsam aber die energie blieb dieselbe... erst beim aikido hat sich das zum ersten mal gelegt"

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