11
Dez
2008

Suizid im Fernsehn

Beitrag über den Suizid, der im englischen Fernsehn gezeigt wurde.

Immer, wenn die Rede auf den Tod kommt, schiessen die Wellen der Emotionen hoch. Eigentlich verwunderlich bei einem Thema, das so selbverständlich zum Leben gehört wie essen, schlafen oder Zähne putzen. Aber natürlich ist der Tod einmalig. Und natürlich ist er neben der Geburt das wesentliche Ereignis im Leben eines Menschen.

Für mich bedeutet diese Aufregung nur, dass wir uns sehr weit vom Thema Sterben und Tod entfernt haben. Die meisten Menschen um die 40 haben in ihrem Leben noch nie jemanden sterben sehen. Ausser sie haben in der Altenpflege oder im Spital gearbeitet - so wie ich.

Wenn alte Menschen, die ihr Leben gelebt haben, sterben oder Menschen, die so krank sind, dass sie sterben wollen, dann tritt die Trauer in den Hintergrund. In den letzten Minuten eines Menschens geschieht etwas Grosses ganz unmerklich. Der Uebergang vom Leben in den Tod ist sanft und den letzten Atemzug kann man genau erkennen. Meist sind es keine dramatischen Seufzer, wie Regisseure es gerne hätten, sondern oft nur ein kleines Heben und Senken der Brust und dann bleibt es aus. Intellektuel habe ich dann immer gewusst, dass jetzt der Tod eingetreten ist, aber gegenüber dem Gestorbenen habe ich nie das Gefühl gehabt, es plötzlich mit einer Leiche zu tun zu haben. Der Uebergang vom Gestorbenen zur Leiche geschieht über Stunden hinweg. Erst wirken sie wie vom sterben Erschöpfte und erst am Ende wirken sie wächsern, geschrumpft und leblos. Das Leben verschwindet nicht auf einmal; es entzieht sich langsam, Stück für Stück, dem Körper, bis nichts mehr bleibt.

Ich habe Sterbende immer gerne begleitet. Hinter all der Traurigkeit, dass ein Menschleben endet, steckt für mich eine ganz tiefe Verbindung mit dem Sinn des Lebens. Im Angesicht des Todes werden die Wertigkeiten der eigenen Handlung klarer, der Stress des Pflegealltags bleibt vor der Türe und die Bewegungen werden langsamer.

Wer noch nie das Sterben eines Menschen erlebt hat, hat in seinem Leben eine Gelegenheit verpasst etwas über den Tod und den Sinn des Lebens zu lernen, bevor er selber stirbt. Darum finde ich es eine durchaus sinnvoll einem Menschen, der es uns erlaubt, im Fernsehn beim Sterben zuzusehen. Natürlich ist es besser, wenn man an der Bettkante sitzen und alle Sinneseindrücke des Sterbens selber wahrnehmen kann: den Geruch der Haut, das Geräusch des Atems und die Stille. Aber für die meisten Menschen in der ersten Welt ist das wohl eher nicht möglich.

Die Behauptung, dass dieser öffentlich gemachte Suizid weitere Selbsttötungen nach sich ziehen werde, halte ich für ein Scheinargument, um das eigene Entsetzen zu kaschieren. Wenn ich mich ganz auf das Sterben einlasse und erkenne, dass ich nicht immer diejenige sein werde, die am Bettrand sitzt, sondern irgendwann diejenige sein werde, die da liegt und stirbt, dann erschreckt mich das auch. Aber im selben Moment hoffe ich dann, dass jemand dort sitzt, der sich darauf einlassen kann, dass ich jetzt sterbe und nicht nur mit seiner eigenen Trauer beschäftigt ist. Ich wünsche mit dann jemanden, der mich in Ruhe begleitet und nicht versucht mich aufzuhalten mit seiner Trauer oder Hilflosigkeit gegenüber dem Tod.

Vielleicht ist das Sterben ganz einfach, vielleicht aber auch nicht.

Ein Buch das sich ausführlich mit dem Thema befasst ist das Tibetische Totenbuch

Sprachbarierre

Als ich 1991 mit knapp 20 in die Schweiz kam, waren meine Ohren schon ein wenig ans Schweizerdeutsche gewöhnt. Hier sei ein kleiner Einschub erlaubt: "Schweizerdeutsch" als solches gibt es nicht. Es gibt nur Berndütsch, Züritüsch, Walliser Dütsch, etc. Und diese Mundarten sind so unterschiedlich wie die Landstriche, denen sie entstammen. Für Deutsche am verständlichsten sind die Mundarten nahe der deutschen Grenze, also z.B. St. Galler, Züri oder Basel Dütsch. Alles, was mehr in den Bergen liegt singt und brummt und grummelt. Je enger die Täler um so verschrobener der Dialekt.

Mein damaliger Freund sprach mit mir Münchnerin anfangs am Telefon immer Hochdeutsch - oder das, was die Deutschen schon für "Schwiitzerdütsch" halten. Was es ja auch eigentlich ist: denn diese gebrochene Version des Hochdeutschen ist fast allen Schweizern gemein. Jedenfalls beschloss dieser Freund nach etwa 3 Monate andauernder Telefonliebe die Sprache zu wechseln und sprach von einer Minute auf die andere nur noch Berndütsch mit mir. Am Anfang war ich sauer, da ich ab sofort nur noch meinen Teil der Unterhaltung und etwa 20% von seinem Teil verstand.

Später, als ich dann in die Schweiz zog, war ich natürlich dankbar für den Sprachkurs vorab. Und nach einem halben Jahr waren die grössten Sprachbarierren auf Höhe von Bordsteinkanten geschrumpft. Allerdings gabs in dieser Zeit immer mal wieder lustige Szenen, in denen ich völlig im Dunkel der archaischen Sprache stand.

Eines Mittags stand ich vom Tisch auf um etwas fehlendes aus der Küche zu holen. Während ich dort war, fiel ein Glas auf dem Tisch im Wohnzimmer um und entleerte seinen Inhalt auf denselben. Ich hörte aus dem Wohnzimmer eine Stimme rufen:"Bringst du bitte noch den Hudu mit?" Ich stand eine Weile und fixierte alles auf seine Eigenschaft als "Hudu"... aber nichts offenbarte sich als solches.

Ich rief:"Wenn du mir sagst, was ein Hudu ist, dann nehm ichs auch gerne mit!" Lachen aus dem Wohnzimmer. Kurze Beratung und dann:"Einen Lumpen sollst du mitbringen!" Na klar: Hudu - Lumpen! Sehr eindeutige ethymologische Abstammung. Völlig klar!

"Hudu" heisst natürlich nicht Lumpen, sondern Hudel (von dem ich ehrlich gesagt nicht mal mehr weiss, ob man das auch im Hochdeutsch sagen kann. So lange bin ich jetzt schon hier....!) und im Berndeutschen wird oft das Endungs-L zu einem U. Aber dazu später.
Wüstenfuchs

Berner Platte und Chuchichäschtli

Die Schweiz, ihre Klischees, ihre Kultur und Politik durch die Augen einer Deutschen gesehen.

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