25
Nov
2008

Deutsche in der Schweiz

Deutsche sind in der Schweiz nicht sehr beliebt. Woran das liegt? Da gibts mehrere Erklärungsversuche. Einerseits klingt jedes Wort eines "Schwaben" (so nennen die Schweizer die Deutschen) im Ohr eines Eidgenossen grossspurig und besserwisserisch. Das liegt in erster Linie sicher am Hochdeutsch. Denn Hochdeutsch ist die Sprache der Schule, der Bücher und Lehrer... und die wussten es allesamt immer besser als der kleine Berner Giel oder das kleine Berner Meitschi. Und andererseits lässt uns auch hier unsere braune Vergangenheit nicht los. Den Ruf als Aggressoren und Kriegstreiber haben wir noch immer in der Welt, trotz über 60 Jahren vergangener Geschichte.

Den Vertrauensvorschuss, den ein Einheimischer gegenüber einem anderen Einheimischen geniesst ist bei Deutschen ins Gegenteil verkehrt. Sie geniessen einen Miss-trauensvorschuss. Da musst du erst beweisen, dass du nicht so schlau bist, wie du in helvetischen Ohren klingst.

Seit dem Freizügigkeitsabkommen strömen die Deutschen in die Schweiz. Sie wären auch dumm, täten sie es nicht. Erst vor ein paar Tagen wurde mir wieder klar, warum die Schweiz so ein gutes Land zum leben ist. Eine im Sommer ausgewanderte Deutsche erzählte, dass sie jetzt als Putzfrau in der Schweiz mehr verdiene als so mancher Assistenzarzt in deutschen Krankenhäusern. Sie verdient rund 3800 sFr. / ca. 2500 Euro. In Deutschland gab es für sie, trotz abgeschlossener Lehre als Kauffrau, nur die Option Hartz IV. Ihrem Freund, einem Maler und Lackierer, gings nicht anders. Beide wollten arbeiten und nicht auf der faulen Haut liegen. Die Flucht nach vorne war der einzige und sinnvollste Ausweg.

Dass sie nicht die Einzigen sind, bemerkt man langsam sogar in den kleinen Schweizer Gemeinden. Sogar in unserem Dorf im Berner Oberland sind die Deutschen angekommen. In meiner unmittelbaren Nähe zwei Paare.
In den Jahren 2004 und 2005 kamen 18 200 bzw. 20 500 Deutsche in die Schweiz. Das ist eine Zunahme von über 20% zu den Vorjahren. Insgesamt leben zur Zeit ca. 175 000 Deutsche in der Schweiz. Den grössten Ausländeranteil stellen aber immer noch die Italiener und Ex-Jugoslaven mit je ca. 300 000. Ueberhaupt: die Schweiz ist nach Liechtenstein und Luxemburg das Land mit dem höchsten Ausländeranteil in Europa: ca.20% der Wohnbevölkerung ist ausländisch. Bei der arbeitenden Bevölkerung ist der Anteil sogar 25%! Ein Viertel der arbeitenden Bevölkerung zahlt Steuern und AHV (die Altersvorsoge), kann aber politisch nicht mitbestimmen....

Für mich ist die Schweiz ein fast perfektes Land. Man kann hier praktisch immer Arbeit finden (mit einer Arbeitslosenquote von 3,6% und nur minimalst angestiegen in den letzten 20 Jahren), wenn man möchte und auch einfache Arbeiten nicht scheut. Man verdient selbst dann noch so viel, dass es für Ferien reicht. Selbst wenn alles schief geht, fängt das soziale Netz in den meisten Fällen. Keine Slums, Trinkwasser im Klo, Minergie-Häuser möglich, Kriminalität auf sehr niedrigem Niveau und eben Arbeit. Nur etwas wärmer dürfte es sein. Aber da müssen wir vielleicht nur noch ein wenig warten bis die globale Erwärmung das ihre tut und wir den Sandstrand am See aufschütten und die Palmen pflanzen können.

Ich möchte nicht auswandern. Das bin ich ja schon vor 18 Jahren getan. Aber ich reise gerne und komme immer wieder gerne zurück!
Uns so ist das wohl zwischen den Deutschen und den Schweizern: die Deutschen schätzen die Schweiz und ihre Bewohner sehr und die Schweizer sind nicht ganz so begeistert....

Die statischen Daten stammen von der Seite des Statistischen Bundesamt.

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Progero - 8. Jan, 17:02

Deutsche in CH

Ich habe Aehnliches in Zeitungen wie der NZZ gelesen. Glücklicherweise kann ich das nicht bestätigen. Ich Deutscher wohne schon 20 Jahre in der Schweiz, allerdings im Tessin. Mein Eindruck hier: Ich werde respektiert, sogar sehr, was vielleicht auch am Alter liegt. Man hat wohl auch etwas Angst vor dem "Perfekten". Im Beruf hatte ich es hier im Tessin leichter als die Deutschschweizer, die den Tessinern nach ihrem Gefühl die besten Arbeitsplätze wegnehmen. Aber, es bleibt trotzdem ein unüberwindbarer Graben. Auch innerhalb der Familie meiner Schweizer Frau, mit der ich schon über 20 Jahre verheiratet bin, bin ich der "Deutsche".

Wüstenfuchs - 9. Jan, 22:45

Weltbürger und Berndütsch

Das Deutsche-sein lässt sich nicht ablegen. Will ich auch gar nicht, denn das sind meine Wurzeln und ich möchte die auch gar nicht verleugnen. Der Preis ist, wie du es nennst, dieser Graben. Aber ich denke, dass das bei jedem Ausländer, wo her auch kommen mag, immer so ist. Das ist ganz allgemein der Preis des Auswanderns: Im Ursprungsland wird man nach ein paar Jahren "einer von denen" und im Wahlland bleibt man auch "einer von denen" (aber natürlich von den anderen). So ist man nirgendwo mehr "einer von uns". Ich nenne mich "Weltbürger", weil ich mich tatsächlich nicht einer Nationalität speziell verbunden fühle.
Das Thema Sprache ist im Tessin natürlich ein anderes als in der Deutsch-Schweiz. Ich nehme mal an, dass du sehr gut Italienisch sprichst nach so langer Zeit, ich allerdings spreche sicher nicht halb so gut Berndütsch. Das liegt nicht an mangelndem Willen, sondern daran, dass mein Mischmasch-Deutsch hier allen verständlich ist und ich alles verstehe. Das genügt und es würde eine ungeheure Anstrengung brauchen um den letzten Rest Hochdeutsch zu tilgen. Ich bin also, wie viele Ausländer, auf einem bestimmten Niveau meines Spracherwerbs stehen geblieben. Manchmal denke ich, ich sollte mich komplett assimilieren, aber dann denke ich wieder:"Was solls! Meine deutsche Zunge wird das nie im Leben perfekt hinbekommen...."
In diesem Sinne: "Me ghört sich!"
Wüstenfuchs

Berner Platte und Chuchichäschtli

Die Schweiz, ihre Klischees, ihre Kultur und Politik durch die Augen einer Deutschen gesehen.

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