22
Jul
2009

Goldrush im Emmental

Wir packen Kind und Kegel samt dreibeinigem Hund, einen riesen Picknick-Korb und die nigelnagelneuen Goldwasch-Pfannen. Zuerst sah der Himmel nicht so vielversprechend aus, aber jetzt, gegen Mittag, überspannt uns ein wolkenloser Himmel. Heiss brennt die Sonne herab als wir hinter Thun den Absprung ins Emmental nehmen. Rauf auf den Schallenberg und runter in die liebliche Hügellandschaft. An allen Hängen sieht man Menschen mit Heurechen das knisternde und duftende Gras zusammennehmen. Liebliche, runde Hügelchen, manchmal sogar klischeehaft mit einer einzelnen Linde obendrauf, liegen vor uns. Im Hintergrund sieht man manchmal, je nach Windung der Strasse, das Stockhorn und die Niesenkette. Ich kenne diese Strecke, aber im Hochsommer gefällt mir diese Landschaft am besten. Am liebsten vom Autofenster aus. Die Landschaft liegt dann wie von einem heissen, feuchten Tuch niedergedrückt da. Hunde bewegen kaum ein Ohr am Kopf, wenn man vorbeifährt, so lähmend ist die Hitze, während mir, dem Fahrgast, der Fahrtwind durchs weit geöffnete Fenster ins Gesicht bläst. Ich erinnere mich, wie sehr ich den einen Sommer genossen habe, den wir auf dem Land bei Cousinen verbringen durften. Ich erinnere mich, wie wir mit dem Bollerwagen durch die Felder gezogen sind, im nahgelegenen Wald aus Aesten und "Klebkraut" Hütten gebaut haben und wie angenehm kalt das Wasser des kleinen Flüsschen war. Das sommerliche Emmental ist wie ein Bild aus meinem Kopf direkt in die Wirklichkeit geleget. Ich reise einerseits mit meinen Gedanken weit weg durch meine Kindheit und andererseits mit dem Auto (nicht so) weit weg vom Alltag.
Das Entlebuch begrüsst uns mit einem seiner vielen Schilder "50 Jahre Fredy. Viel Glück". Alle paar Meter trifft man auf sie. Nicht nur die Neugeborenen bekommen hier ein Schild, sondern, so wie es scheint, jeder der auch nur einen annähernd runden Geburtstag feiert. "18 Jahre Dörä", "Erika 40 Jahre". Irgendein schlauer Mensch hat da einen Bedarf geschaffen, der zwar örtlich begrenzt geblieben ist, dort aber recht hoch zu sein scheint.
Nach eineinviertel Stunden Fahrt durch die Hügellandschaft, erkennen wir von einem Bergrücken aus unser Ziel: ein tiefer Einschnitt in der Landschaft, auf dessen Grund der Fluss "Grand Fontanne" fliesst. Wir folgen den vielen Windungen der Strasse, die sich langsam der Schlucht nähert. Dann erreichen wir den Tiefpunkt der Strasse: ein Brückchen über den Grand Fontanne.
Fluss mit Brücke
Direkt hinter der Brücke können wir unser Auto abstellen und auf das wilde Flüsschen schauen. Ein kleiner Pfad windet sich durch den Buchwald, der zu beiden Seiten die Hügel bedeckt. Angenehm kühl ist es hier. Sonnenflecken tanzen über den Waldboden. Es riecht nach Nässe, vermoderndem Laub und kürzlichem Regen.
Wir packen die Ausrüstung und unseren Tross und steigen vielleicht 20m in die Schluch hinunter. Der dreibeinige Hund wird aufs andere Ufer gehoben, ebenso die Kinder und die Ausrüstung. Ich laufe durch die Strömung und spüre die Kälte und die Kraft des Wassers. Wegen des Wassers auch sind wir hier. Im Gebiet des Napf, einem Berg, waschen die Flüsse kleinste Mengen Gold aus dem Gestein und legen es in ihren Betten ab. Ein Flüsschen unweit von hier heisst sogar Goldbach, was keiner weiteren Erklärung bedarf.
Wir beginnen Sand und Kies in unsere Pfannen zu schöpfen und schwenken sie im Fluss stehend so lange bis nur noch ein kleiner Rest geblieben ist. Und tatsächlich ein einiger Zeit werden wir fündig: es glitzert auf die charakteristische Art. Winzige Flitter finden wir. Manchmal ist es sogar schwierig sie mit der Pinzette zu nehmen, da sie so klein sind. Aber die Kinder sind begeistert. Echtes Gold! Sie überlegen sich schon, was für tolle Sachen sie sich mit diesem Reichtum leisten werden. Ich lache und erkläre, dass der Reichtum hier nur in der gemachten Erfahrung besteht.
Bis zum späten Nachmittag beläuft sich unser Reichtum auf circa 15 Flitterchen....aber immerhin.
Goldflitter
(die kleinen Krümmel in der Flasche sind unser Gold....)
Wir grillieren, die Kinder steigen den Fluss hoch und die Hundchen geniessen ihre unangeleinte Freiheit.
Am frühen Abend fahren wir den wunderschönen Weg wieder zurück, allerdings geniesst die dann nur noch der Wüstenfuchs-Mann. Der Rest von uns döst dahin. Ein abkühlendes Bad im See und ein kräftiges Znacht wecken unsere Lebensgeister wieder.
Wüstenfuchs

Berner Platte und Chuchichäschtli

Die Schweiz, ihre Klischees, ihre Kultur und Politik durch die Augen einer Deutschen gesehen.

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