10
Apr
2009

Wahre Freunde

Mini-T (4) schlägt die Tür hinter sich zu und kräht:"Mama!" Ich lege den Pinsel weg und meine seufzend, da ich gerade anfangen wollte zu malen:"Jaah...?"
"Mama! Mein Freund Murps und ich wollen mit unseren ferngesteuerten Flugzeugen spielen! Dürfen wir?"
"Ja, aber fliegt auf dem Feld. Ich hab nämlich keine Lust das Ding aus Regenrinnen oder Bäumen zu holen."
"Cooool..." und die Tür schwingt in den Angeln wie eine Saloontüre.
Ich vertiefe mich in meine Arbeit und höre erst mal nichts von der Welt. Nach einer viertel Stunde wird mir bewusst, dass ich schon seit geraumer Zeit ein Blöken wie von einem Auerochsen höre. Da wir keine dieser urtümlichen Viecher im Dorf haben, muss das Geräusch eine andere Ursache haben. Mir wird bewusst, dass es Murps (8) ist, der wie ein weidwunder Bock schreit. Da es nicht aufhört, gehe ich mal vor die Türe um nachzusehen. Da sehe ich Murps, Schlurps und Mini-T die Strasse herunterkommen. Murps schniefend und eben blökend.
"Mama, Mama! Dem Murps sein Flieger ist in den Bach gefallen...!"
"Ach du je! Und jetzt? Holt ihr in wieder raus, oder was?"
"Ne, der is weg. Wir haben gesehen wie er den Bach runter ist."
Am Brückchen 20m weiter stehen der Opa und der Vater von Schlurps (10) dem Dritten im Bunde. Die beiden erwachsenen Männer stehen da und stellen fest:"Jetzt isser weg!"
"Na toll!" denke ich mir und laut sage ich:"Also, Jungs nehmt die Beine in die Hand und lasst uns nachschauen, ob das Ding im See liegt. Irgendwo muss er ja sein!"
Ich schnappe mir noch den nächstliegenden Skistock und gehe mit den Kindern im Schlepptau zum See runter. Und - voila! - vor unserem Dorfstrand treibt auf dem Rücken der Flieger. Leider nur ein paar Meter zu weit vom Ufer weg, so dass ich mit meinem Skistock nichts ausrichten kann.
Mini-T schreit begeistert:"Ich hol ihn raus!"
"Willst du wirklich?" frage ich ihn zweifelnd.
"Ja, klar!"
Also gehe ich mit dem Kleinen nach hause und hole folgende Ausrüstung: einen schwimmenden Drachen, Schwimmflügel, eine Badehose, eine lange Leine und ein grosses Handtuch.
So bewaffnet begeben wir uns wieder zum See.
Nachdem der Drache aufgeblasen, die Schwimmflügel montiert und die Badehose angezogen ist, setzt sich Mini-T auf den Drachen und ich ziehe ihn am Ufer entlang auf Höhe des treibenden Fliegers. Erst geht alles gut, aber als ich den Kleinen auffordere jetzt mit den Händchen zu rudern um zum Flieger zu gelangen, schreit er aus Leibeskräften:"Ich hab Aaaangst!"
Die Strömung hilft und treibt den Drachen und das Flugzeug auf einander zu. 40cm fehlen noch, aber Mini-T will nichts mehr von heldenhafter Rettung wissen. Jetzt schnieft und schreit er und ausserdem fängt er an zu schlottern, da das Wasser wirklich sehr kalt ist. Am Ende sind es nur 20cm, die uns von der Rettung trennen, aber da das Kind nur noch lauter schreit und keine anfeuernden Rufe helfen, ziehe ich ihn wieder an Land.
Jetzt weint er, weil ers nicht geschafft hat. Aber ich tröste ihn, dass er es ja zumindest versucht hat, trotz Angst. Er sei ein guter Freund, einen besseren könne man sich gar nicht vorstellen. Und manchmal klappe es halt trotz bester Absicht nicht.
Schnell trockne ich ihn ab und stecke ihn wieder in seine Kleider. Als ich wieder hoch schaue, sehe ich plötzlich zwei Latten des Bootshäuschens neben dem Flieger treiben. Schlurps, der Idiot, meint doch tatsächlich, dass er das halbe Häuschen demontieren könne, um mit den Latten nach dem Flugzeug zu schmeissen. Vielleicht wird es ja so an Land gespült. Kein Hirn aber schon zu viel Kraft! In der Wand des Bootshäuschens klafft eine Lücke.
"Schlurps!" schreie ich "hast du den Verstand verloren?!"
Ich ziehe meine Jeans aus und wate im eiskalten Wasser in Richtung Flieger und Latten. Jetzt fängt die Bergungsaktion sich langsam an richtig zu lohnen!
Als das Wasser zwei Zentimeter unter dem unteren Unterhosenrand reicht, bleibe ich stehen und versuche mit meinem Stecken eine der Latten zu fassen. Das gelingt mir auch. Da die Latte länger ist als mein Stecken, versuche ich damit den Flieger zu mir her zu ziehen. Das allerdings gelingt mir nicht. Und zu allem Ueberfluss muss ich auch noch die Latte loslassen. Jetzt treibt der ganze Plunder ausserhalb meiner Reichweite. Da das Wasser wirklich bitterkalt ist, wate ich zurück und bekleide meine tauben unteren Extremitäten wieder
Kaum bin ich damit fertig, höre ich wie Murps zu Mini-T sagt"Ha, du bist ein Baby. Du hast es nicht geschafft!"
Kann man es fassen? Jetzt bin ich es, die wie ein Auerochse brüllt:"Na, du bist mir ja ein feiner Freund! Der 4jährige versucht deinen Schei**flieger zu retten und du weisst nichts besseres als ihn zu beleidigen?"
Ich schnappe mir mein ganzes Rettungsequipment und mein Söhnchen und gehe vor Wut fauchend nach hause.
Ich kann es nicht fassen: wenn man versucht zu helfen ist man oft der Depp am Ende. Die Lektion kannte ich schon, aber im Zusammenhang mit Kindern wäre mir das nicht in den Sinn gekommen. Nächstes Mal stelle ich mich auch auf die Brücke und sage:"Jetzt isser weg!"

Nachtrag: am Ende stieg Murps' Mutter in den Teich und fischte des Mis*tding heraus. Sie allerdings musste ihre Unterhose in den Fluten des Thunersees tauchen. Mütter gehen halt für ihre eigene Brut wortwörtlich einen Schritt weiter als für andere Menschen.....
Wüstenfuchs

Berner Platte und Chuchichäschtli

Die Schweiz, ihre Klischees, ihre Kultur und Politik durch die Augen einer Deutschen gesehen.

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