7
Nov
2010

Marronifeuer

Tja, das war wohl nix mit dem Internetanschluss!
Aber wer konnte auch ahnen, dass wir so sehr in der französischen Pampa sitzen würden, dass mein armer Laptop nicht mal ein ungesichertes WLAN-Netz finden würde? (Ich. Ich war nämlich schon mal dort...).
"Dort" das ist ein winziges Kaff in der Dordogne, zwischen Weinreben, Eichenwäldern und mittelalterlichen Burgruinen. Also eine Landschaft wie geschaffen für den Herbst. Wagte sich bei unserer Anreise die Sonne noch für ein paar Minuten heraus, so beschloss sie mit unserem Einzug in das Ferienhäuschen der Verwandtschaft sich für die nächsten drei Tage hinter einem Nebelschleier zu verstecken. Was der Landschaft natürlich keinen Abbruch tat. Im Gegenteil mit tiefhängendem Himmel und gelegentlichen Sonnen- und Regenbogeneinspielungen kam die Melancholie der sanften Hügel noch besser zum Vorschein.
Aber nicht vom Wetter noch von den Landschaften soll hier die Rede sein, sondern von Verwandtenbesuchen.
Wir kamen also an und wurden herzlich von der zahlreichen Verwandtschaft in Empfang genommen. Der Kleine von allen Grosstanten und -müttern abgeküsst (was ihm natürlich nicht behagte), ein opulentes Mal wurde serviert, getrascht, geschnattert und der neuste Klatsch erzählt. Mein allerliebster Ehemann verschwand hinter der nächsten Ecke und begann mit dem Hausbesitzer, einem älteren Onkel, Dinge abzuschrauben, andere Dinge wieder anzuschrauben, kurz: die Männer spielten ihr Spiel (bosseln was das Zeug hält) und die Frauen das ihre (tratschen das die Balken krachen) und alle waren zufrieden. Dazwischen wuselten ein paar Kinder herum, die nach ein paar Stunden dreckig und mit roten Backen und Taschen voller selbstgesammelter Kastanien zurückkehrten. Da grosse Haufen abgeschnittener Aeste von den Aufräumarbeiten des Hausherren zum Verbrennen bereit lagen, ging man mit Kaffee und Wein dazu über ein riesiges Herbstfeuer zu schüren. Die Kinder legten ihre Kastanien ins Feuer und kommentierten die gelegentlichen Explosionen schlecht angeschnittener Marronis mit Geschrei und Gelächter. Ich sass zwischen all dem Treiben und genoss dieses Zusammentreffen über alle Massen. Die Dämmerung senkte sich über die Gesellschaft und man rückte näher ans Feuer. Ein Armangnac, der ja schliesslich in der Region produziert wird, und ein Teller mit verschiedenen Ziegenkäsesorten wurde herumgereicht. Ich probierte alles, was an mir vorbeidefilierte und schloss vor Genuss die Augen und dachte:"Ach, schöner als ein Traum!"

Und was soll ich euch sagen: leider wars auch nur ein Traum. In Wirklichkeit kamen wir zu dem Häuschen, dass von einem einzelnen älteren Onkel ein paar Wochen im Jahr bewohnt wird, der Kinder nicht besonders schätzt und rigorose Ansichten pflegt. Das Marronifeuer fand tatsächlich statt und wurde von Füchschen und mir alleine geschürt und genossen. Niemand reichte regionale Leckereien, nur unser Rauchdunst wurde später bemängelt und wir zu einer dringenden Dusche aufgefordert. Diskutiert wurde ebenfalls, aber weniger aus Herzlichkeit, denn aus der zungenlösenden Wirkung des Alkohols. Und Füchschen war ein "braves Kind", wenn er sich unsichtbar in einer Ecke des Gartens zu beschäftigen wusste. Die meiste Zeit konnte ich meinen Missmut über die erstarrten Ansichten und die Kinderunfreundlichkeit des alten Herren verbergen, aber zwei Mal ist mir dann doch der Deckel weggeflogen. Da ich, auch meinem Ehemann zuliebe, keinen Streit heraufbeschwören wollte, habe ich mich jedesmal früher oder später vom Acker gemacht. Abgefahren bin ich mit einem sehr durchmischten Gefühl. Denn einerseits hat mir der Ort und der Aufenthalt dort sehr gefallen, aber am liebsten mit der obenbeschriebnen Szenerie. Der Ort hätte dieses Potenzial. Die Familie scheints nicht.
Schade, dass man oft nicht geniesst, wenn sich die Gelegenheiten bieten. Das Leben ist doch viel zu kurz für Trübsal und Rechthaberei!
Wüstenfuchs

Berner Platte und Chuchichäschtli

Die Schweiz, ihre Klischees, ihre Kultur und Politik durch die Augen einer Deutschen gesehen.

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