21
Nov
2008

Laubgebläse

Da sind sie wieder: die Laubgebläse. Jeden Herbst, wenn alle Blätter so gar unordentlich auf den Strassen, Grünflächen und in den Gärten rumliegen, greifen entschlossene Bürger zur Gegenwehr. Es wird gepustet, geblasen und gesäubert. Selbst unzugängliche Blätter unter Büschen und Hecken entkommen der Säuberungsaktion nicht. Ich stelle mir vor, dass die Besitzer dieser Geräte des morgens aufwachen und ihre Umgebung in Blättern versinken sehen. Sie riechen den Moder der sich zersetzenden Blätter und spüren eine innere Unruhe ob der Unordentlichkeit ihres Grundstücks. Sie spüren eine Begierde dem Uebel sofort zu Leibe zu rücken. So wie wenn man einen besonders dicken Pickel ausdrücken darf. Das ist "lecker" (entschuldigt diesen Ausdruck in diesem Zusammenhang) und hässlich zu gleich und man fühlt sich erleichtert, wenn man es getan hat.

In Bern habe ich mal eine Reinigungsmannschaft der Stadt gesehen, die zu dritt einen extrem steilen Hang, auf dem lauter Laubbäume standen, mit den Gebläsen bearbeiteten. Ich weiss ja nicht, wie lange sie dafür gebraucht haben, aber in jedem Fall war es zu lang. Was für ein Argument könnte es geben um einen solchen Hang frei zu blasen? Ausgerutscht wäre wohl niemand auf den Blättern, da der Hang so steil ist, dass niemand dort entlang läuft. Die einzigen, die ausrutschen könnten, wären wohl die Arbeiter, die diese blödsinnige Arbeit machen mussten. Oekologisch ist es auch nicht, da Insekten und Igel in Laubhäufen überwintern und die zersetzten Blätter wieder in den Nahrungskreislauf zurückgespeist werden. Da kann es sich wohl nur um ganz und gar schweizerischen Ordnungssinn handeln.

Wenn in der Schweiz etwas ordentlich aussieht, dann ist es schon mal gut. ("e suuberi Sach!" wie man hier zu Lande sagt, wenn was besonders gut ist) Im nachbarschaftlichen Zusammenleben ist es von eklatanter Wichtigkeit, dass es um dein Haus ordentlich aussieht. Maximal Kinderspielzeug, wie Fahrräder, Scooter und Kinderwagen sind ok.... aber nur mit Zähne knirschen. Läuft man durch dörfliche Einfamilienhaus-Siedlungen fallen einem die akkurat gepflegten Gärten auf: Fussballrasen, Gartenstühle mit Regenschutz und schüchtern wuchernde Botanik. Saubere Gartenwege, ordentlich gestapeltes Brennholz und Unkraut freie Beete. Das ist sichtbar gemachte Gesinnung: sauber muss es sein und was aus der Reihe tanzt, wird nach Kräften bekämpft!
Wüstenfuchs

Berner Platte und Chuchichäschtli

Die Schweiz, ihre Klischees, ihre Kultur und Politik durch die Augen einer Deutschen gesehen.

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