Tod und Sterben

20
Jul
2010

Scheidungskrieg

Im Dorf lebt ein 11jähriges Mädchen, die ein wenig den Narren an mir gefressen hat. Hin und wieder sehen wir uns in der Badi oder vor der Schule, wenn ich Füchschen zum Kiga bringe. Dann kommt sie immer zu mir und quatscht ein wenig. Sie ist recht selbstbewusst, plappert was das Zeug hält und erinnert mich überhaupt sehr an mich selber als ich in ihrem Alter war. Leider gibt es eine Komponente in ihrem Leben, die ebenfalls gleicht ist: ihre Mutter ist an Krebs erkrankt.
Vor kurzem erzählte sie mir, dass ihr leiblicher Vater, den sie einmal im Monat sieht, ihr Stress mache, so dass sie sich überlege, ob sie ihn überhaupt noch sehen wolle. Was er denn gemacht habe, fragte ich natürlich. Er habe schon ein paar Mal Sachen wie "wenn dann das Muetti unter dem Boden ist, dann kommst du dann zu mir...." oder ähnliches verlauten lassen. Kennt denn der Ex-Eheleute-Kampf mittels der "Waffe Kind" keine Grenzen?
Ich habe nichts dagegen Kinder auf den Tod eines Elternteils vorzubereiten, aber das finde ich absolut jenseits. Gut ist nur, dass meine kleine Freundin gescheit genug ist und dieser Schuss im Scheidungskrieg nach hinten losgehen wird.

8
Jul
2010

Trauerrand

Gestern erreichte uns ein Kuvert, das auf der rechten Seite mit einer grauen Schattierung versehen war. Wer so einen Umschlag sieht, denkt sofort "Oha! Leidzirkular! Jemand ist gestorben, den ich gekannt habe!" In Fliegerkreisen kommt das vielleicht etwas häufiger vor als bei (von Piloten sogenannten) "Fussgängern". In diesem Fall hatte es, obwohl der Verstorbene tatsächlich Pilot war, nichts damit zu tun. Dieser Tod war nicht wirklich überraschend, da er schon lange an Herzbeschwerden litt, aber dennoch bleibt immer dieses fröstelnde Erstaunen.

Ich frage mich, ob diese graue Schattierung am Umschlag genau dafür entworfen wurde: als Vorwarnung vor einer Todesnachricht. Wäre es so viel schlimmer, wenn die Nachricht einfach nur in einem weissen Umschlag stecken würde? Dann würde man, lebenslustig wie immer, den Umschlag öffnen und der Blick fiele direkt auf den Namen des Verstorbenen. Mein Erstaunen wäre nicht grösser und nicht kleiner. Denn diese Art von Brief bekommt man sowieso nur, wenn man nicht zur nächsten Verwandtschaft zählt. Die Todesnachrichten, die einen umwerfen, erhält man schätzungsweise eher mündlich.
Für mich ist dieser Trauerrand ein ganz typisches Zeichen dafür wie wir mit dem Thema Tod umgehen. Er sagt für mich:"Achtung! Ergriffenheit!" Todesfälle sind traurig, denn immer gäbe es noch etwas, was derjenige noch hätte machen können oder wollen. Und je jünger der Gestorbene ist, um so mehr schockiert einen das. Aber eigentlich sollte man so etwas doch als gute Gelegenheit nutzen um über das eigene Sterben nachzudenken. Denn wann kann man am besten etwas über den Tod erfahren? Doch nur, wenn der Tod ein Teil des eigenen Lebens ist. Mein Tod kommt sowieso, ob ich jetzt darüber nachdenke oder nicht. Ich denke lieber darüber nach, denn er hilft mir die Dinge ins Lot zu stellen.

25
Okt
2009

Das Leben nach dem Tod

Im Moment kann ich zwei Menschen in meinem Umfeld beobachten, die dem Tod nur so grade eben von der Schippe gesprungen sind. Die eine ist die Gleitschirmpilotin, die einen Absturz nur so knapp überlebt hat und seit ein paar Wochen mit mehr gebrochenen Knochen als heilen im Spital liegt. Die andere hat einen Herzinfarkt erlitten und ihn nur überlebt, weil sie schon im Spital war und die Reaktionszeit auf den Infarkt praktisch Null war.
Beide scheinen die gleiche Schwierigkeit zu haben: zwar geht ihr Leben weiter, aber dennoch ist nichts mehr wie es war. Der Moment des Beinahe-Sterbens scheint nicht so schlimm zu sein, stärker die Angst in den Minuten / Sekunden davor, die aber mehr oder weniger dem Vergessen anheim fallen. Dennoch schliesst irgendetwas im Bewusstsein der Menschen mit dem Leben ab, so dass nach dem Ueberleben der eigentlich tödlichen Situation, der Anschluss nicht mehr gefunden wird.
Die Situation ist absurd: das Bewusstsein gaukelt Kontinuität vor, obwohl es einen Moment des "Unterbruchs" im Moment des Herzstillstandes gegeben hat, andererseits ist das alte Leben tatsächlich gestorben und nichts mehr ist, wie es vorher war.
Im menschlichen Bewusstsein scheint es keinen "Mechanismus" für das Ueberleben tödlicher Situationen zu geben (macht evolutionär ja auch keinen Sinn) als das Vergessen oder Verdrängen. Man kann nicht fühlen, dass man dem Tod knapp entkommen ist. Daran gibt es nur eine intelektuelle Annäherung. Ich selbst habe zwei Krankheiten erlebt, die ich ohne die moderen Medizin nicht überlebt hätte. Aber es gibt keinen "Ort" in meinem Bewusstsein, wo ich spüren könnte, dass dem so ist.

Der Absturz der Pilotin betrifft mich sehr. Einmal weil wir ihr das Fliegen beigebracht haben und ausserdem weil es zeigt, wie unberechen bar das Fliegen und der Pilot sind. Das Fliegen, weil man nie wissen kann wie turbulent oder nicht turbulent die Luft ist, in der man fliegt, da man sie nicht sehen kann. Der Pilot: weil trotz intensiven Trainings über dem See mit Spiralen, Fullstall etc und Notschirmwerfen, die Pilotin nicht fähig war in einer ausser Kontrolle geratenen Situation darauf zurückzugreifen.
Viele Piloten fliegen jahrzehntelang sicher bis ins hohe Alter mit den unterschiedlichsten Fluggeräten. Einige wenige machen Abstürze. Der Gleitschirmsport ist gegenüber anderen Sportarten (Basejumping, Speedflying, Motorradfahren) ein relativ Unfallarmer Sport. Aber es bleibt trotzdem dabei: wer nicht in die Luft geht, kann auch nicht runterfallen.
Für mich heisst das, dass ich in Zukunft nicht mehr Gleitschirmfliegen werde, da ich dieses Risiko nicht mehr eingehen werde. Schlecht, wenn das die Frau des Gleitschirmlehrers sagt..... aber für mich ist genug abgestürzt worden im letzten Jahr. Ich möchte keine Nummer in dieser Liste werden.

23
Jul
2009

Tod eines Fallschirmspringers

Heute wurde in unserem Dorf der 21jährige Fallschirmspringer beerdigt, der in in Deutschland bei einem Training der Schweizer Fallschirmjäger bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. Ich habe den jungen Mann nicht persönlich gekannt, nur seinen Vater kenne ich flüchtig von einem Gespräch.
Wie das immer so ist, wenn sehr junge Leute sterben, dann ist die Trauergemeinde sehr gross. Seis weil der Verstorbene viele kennt, seis weil viele berührt sind durch einen zu frühen Tod oder weil sie auch "dabei sein" wollen (was nicht wundert, da der Fall auch durch die Presse gezogen wurde).
Auch uns hatte die Todesanzeige erreicht, da der Junge auch in der Gleitschirmler-Szene Interlaken verkehrte und Mitglied im gleichen Club war. Aber da ich ihn nicht persönlich gekannt habe, wäre es mir komisch vorgekommen, mich unter die Trauergäste zu mischen. Warum auch?
Ganz entgangen sind Wüstenfüchschen und ich dem Ereignis aber dennoch nicht. Wie es der Zufall wollte, waren wir just im Moment der Trauerfeier im Dorf unterwegs und auf dem Weg zum See. Schon auf dem kurzen Weg bis zum See begegneten uns viele sehr junge, schwarz gekleidete Menschen und da die Kirche direkt am See liegt, liefen wir natürlicherweise an der Menschenansammlung vorbei. Seltsam wars. Da standen sicher 100 Menschen beieinander und ganz still wars. Menschen in sommerlichem Schwarz und militärischen Grau. Eigentlich wollte ich zu dem Strand, der neben der Kirche liegt, aber irgendwie kam es mir nicht richtig vor, gerade in diesem Moment mit Paddelboot und Badezeug an den Trauernden vorbei zu laufen. So wich ich auf ein Ministrändchen 50 Meter weiter aus.
Als dürfte man kein Spass mehr am Leben haben, wenn jemand gestorben ist, den man noch nicht mal kannte. Klar, ich finde es auch extrem traurig, das ein 21jähriger gestorben ist und ich kann mir vorstellen wie furchtbar der Verlust für seine Eltern ist, aber auf der anderen Seite ist es auch wahr, dass dieser Junge bei der Ausübung und Verwirklichung seiner Träume gestorben ist. So weit kommen viele auf dieser Erde erst gar nicht und sterben an so etwas sinnlosem wie Hunger in einer Welt des Ueberflusses.
21 Jahre gut genährt, ausgebildet, in intaktem Elternhaus, den eigenen Träumen auf der Spur: das ist mehr als den allermeisten Menschen in ihrem Leben je möglich ist, wenn man über den Tellerrand der (kleinen) ersten Welt guckt.
Das ist die eine Seite. Die andere betrifft die Diskussion über die sogenannten "Risikosportarten" unter die natürlich jeglicher Flugsport fällt. Jedem, der sie betreibt weiss das. Aber oft ist es so wie mit allem Unglück: es betrifft immer die andern. Das hofft man jedenfalls. Aber die Wahrheit bleibt doch immer im Hinterkopf: wer in die Luft geht, kann auch runterfallen und wer unten bleibt, dem kann vielleicht ein Ziegelstein auf den Kopf fallen, aber das ist ja zum Glück relativ selten in unseren Breiten.
Wer regelmässig erhöhte Risiken eingeht (wie eben Gleitschirmler oder Biker), der gewöhnt sich daran, was aber die meisten nicht nachlässig werden lässt (fliegen hat viel mit passiver und aktiver Sicherheit zu tun). Aber auch mit der grössten Sorgfalt lassen sich Unfälle nicht abwenden und wenn die unglückseligen Verkettungen erst einmal begonnen haben, dann ist es sehr schwierig sie wieder in den Griff zu bekommen, ganz speziell in der dritten Dimension.
Was ich sagen will: mit 21 zu sterben ist verdammt sinnlos, aber wenigstens ist er bei dem Versuch gestorben, seine Lebensträume umzusetzen.

12
Jul
2009

Schweinegrippe

Irgendwie scheint die Schweinegrippe ein bischen aus dem Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt zu sein, dabei besteht und anscheinend das Schlimmste noch bevor. Laut einem Beitrag ( Schweinegrippe (doc, 10 KB) ) auf gmx-online soll die Pandemie im September mit Beginn der kalten Jahreszeit anlaufen. Die CH wird Impfungen leider erst ab Oktober zur Verfügung stellen können, da das Mittel ausreichend getestet sein will.
Irgendwie mag man es nicht so recht glauben, dass uns eine Epidemie in der Schweiz droht, an der bis zu 2 Millionen erkranken sollen und geschätzte 2000 davon sterben werden. Und dennoch habe ich immer noch das Gefühl "das trifft andere, nicht mich und meine Familie". Um gegen dieses irrationale Gefühl etwas zu tun, habe ich angefangen einen kleinen Vorrat anzulegen (ganz wie Grossmuttern), um im Fall der Fälle für einige Zeit zu hause bleiben zu können. Aber wie lange müsste ich eigentlich zu hause bleiben? Müsste mein kleiner Vorrat nicht eigentliche in grosser sein?
Früher hat man glaube ich viel mehr in Erwartung von grösserem unglück gelebt, weil man wusste, dass man nichts dagegen tun konnte. Aber heute, ist man überzeugt, dass man gegen jedes "Käferchen" ein Mittelchen habe. Hilflosigkeit in dieser Art ist uns fremd. "Man stirbt heutzutage nicht mehr an einer Grippe! Wir sind doch nicht im Mittelalter!" Und plötzlich holt einen die kollektive Vergangenheit wieder ein. Ein seltsames Gefühl.

1
Apr
2009

Erinnerung

Krokusse

Selbstbemalte Vorhänge, Puppenkleider und Puppenbetten aus eigener Produktion, Spazieren gehen im Nymphenburger Park und die Krähen krächzen hören, während wir redeten und redeten, Schlittschuh laufen und Piruetten auf verschiedenen zugefrorenen Seen, Baden am Baggersee, Lachanfälle in Jugoslawien, mit Waldboden gewürzte Spaghetti im Urlaub, im Sommer Brotzzeit im Hirschgarten und lange heisse Sonntage an der Isar. Die grossen Kiesel im Rücken und die Füsse im im eiskalten Wasser. Abends beim Gute-Nacht-Kuss der Geruch nach ihrem Gesichtspuder.
Das und noch vieles mehr sind Erinnerungen an meine Mutter, die leider viel zu früh gestorben ist. Heute sind es genau 18 Jahre.
Würde ich nur genau so alt wie sie, blieben mir von heute an nur noch knappe 8 Jahre. Das ist nicht wirklich viel. Jetzt erst kann ich ermessen wie jung sie gewesen ist und wie schwer es gewesen sein muss, diesen herannahenden Tod zu akzeptieren. Ich glaube, dass sie ihn auch nie wirklich akzeptiert hat, sondern sich erst ganz am Schluss, als sie von Schmerzen und Therapie ganz erledigt war, ihm ergeben hat, weil sie einfach nicht mehr konnte.
Ihr Sterben zog sich über viele Monate hin und meine Schwester (noch nicht mal 20) pflegte sie die ganze Zeit über, da ich damals schon in der Schweiz war. Das muss für beide Seiten schwer gewesen sein, da die Rollen vertauscht waren und meine Schwester schon sehr früh enorme Verantwortung übernommen hat. Aber ich bin sicher, dass das Sterben zu hause für meine Mutter erträglicher war und sie in einem Krankenhaus sehr unglücklich gewesen wäre. Ich bin stolz auf meinen Vater und meine Schwester, dass sie sich dem Tod so mutig gestellt haben und ihn nicht in eine "Institution" delegiert haben!
Für mich war der Prozess des Sterbens ein Moment grosser Trauer, der Tod aber eine Erleichterung, da das Nicht-leben-können und das noch-nicht-sterben-können am Ende für alle sehr belastend war. Da ich damals ein Umfeld hatte, dass eine sehr offene Beschäftigung mit dem Thema Tod zuliess, habe ich das Gefühl sehr viel über das Sterben gelernt zu haben und auch meinem eigenen Tod in die Augen schauen zu können. Aber ob das tatsächlich so ist, wird sich dereinst zeigen. Bisher ist es nur eine Theorie und ein wenig Erfahrung "von aussen".

13
Jan
2009

Der weisse Tod

"Im Gebiet von sowieso ging heute Nachmittag eine Lawine ab und verschüttete einen Skifahrer. Der Wintersportler war ausserhalb der markierten Piste unterwegs und löste das Schneebrett, dass ihn mitriss, sehr wahrscheinlich selber aus. Die Suche dauert seit dem frühen Nachmittag an." So oder so ähnlich lauten die Mekdungen, die wie schon öfters in den Zeitungen gelesen oder im Radio gehört haben. Nur der Gedanke von Tonnen von Schnee erst mitgerissen und dann begraben zu werden, stellt mir die Nackenhaare auf.

Durch unwahrscheinliche Zufälle habe ich gestern eine Frau kennengelernt, deren Ehemann vor 3 Monaten in einer Lawine getötet worden ist. Sie ist Anfang 30 hat zwei kleine Kinder und steht jetzt am Rande der Armut. Ihr Mann war seit kurzem Selbständig mit einem kleinen Handwerksbetrieb, den sie jetzt Konkurs anmelden muss. Natürlich bekommt sie Unterstützung vom Sozialamt, aber der Lebensstandard hat sich mit seinem Tod schlagartig geändert.

Aber neben den finanziellen Schwierigkeiten, denen sie jetzt gegenübersteht, ist natürlich die Tatsache, dass ihr Mann bisher nicht gefunden werden konnte, der belastenste Moment. An einem Tag in der Woche reist sie seitdem quer durch die ganze Schweiz zum Unglücksort, um ihrem Mann nahe sein zu können und eventuell irgendwo im riesigen Lawinenkegel doch noch seine Jacke zu entdecken, um ihn bergen zu können.
Da aber die Schneemassen in diesem Winter immens sind und immer neu Lawinen auf den Ort, wo er wahrscheinlich liegt, abgehen, wird es bis im Sommer dauern, bis sich eine erneute Suche lohnt und auch nicht zu gefährlich ist.
Derweil muss sie funktionieren um sich und ihren Kindern ein Weiterleben "danach" zu ermöglichen.

Jemanden in so grosser Trauer zu begegnen macht das Leben langsamer und rückt auch diesmal wieder die Prioritäten zurecht. Es macht die Konturen weicher und einen offener für die guten Dinge im Leben.

11
Dez
2008

Suizid im Fernsehn

Beitrag über den Suizid, der im englischen Fernsehn gezeigt wurde.

Immer, wenn die Rede auf den Tod kommt, schiessen die Wellen der Emotionen hoch. Eigentlich verwunderlich bei einem Thema, das so selbverständlich zum Leben gehört wie essen, schlafen oder Zähne putzen. Aber natürlich ist der Tod einmalig. Und natürlich ist er neben der Geburt das wesentliche Ereignis im Leben eines Menschen.

Für mich bedeutet diese Aufregung nur, dass wir uns sehr weit vom Thema Sterben und Tod entfernt haben. Die meisten Menschen um die 40 haben in ihrem Leben noch nie jemanden sterben sehen. Ausser sie haben in der Altenpflege oder im Spital gearbeitet - so wie ich.

Wenn alte Menschen, die ihr Leben gelebt haben, sterben oder Menschen, die so krank sind, dass sie sterben wollen, dann tritt die Trauer in den Hintergrund. In den letzten Minuten eines Menschens geschieht etwas Grosses ganz unmerklich. Der Uebergang vom Leben in den Tod ist sanft und den letzten Atemzug kann man genau erkennen. Meist sind es keine dramatischen Seufzer, wie Regisseure es gerne hätten, sondern oft nur ein kleines Heben und Senken der Brust und dann bleibt es aus. Intellektuel habe ich dann immer gewusst, dass jetzt der Tod eingetreten ist, aber gegenüber dem Gestorbenen habe ich nie das Gefühl gehabt, es plötzlich mit einer Leiche zu tun zu haben. Der Uebergang vom Gestorbenen zur Leiche geschieht über Stunden hinweg. Erst wirken sie wie vom sterben Erschöpfte und erst am Ende wirken sie wächsern, geschrumpft und leblos. Das Leben verschwindet nicht auf einmal; es entzieht sich langsam, Stück für Stück, dem Körper, bis nichts mehr bleibt.

Ich habe Sterbende immer gerne begleitet. Hinter all der Traurigkeit, dass ein Menschleben endet, steckt für mich eine ganz tiefe Verbindung mit dem Sinn des Lebens. Im Angesicht des Todes werden die Wertigkeiten der eigenen Handlung klarer, der Stress des Pflegealltags bleibt vor der Türe und die Bewegungen werden langsamer.

Wer noch nie das Sterben eines Menschen erlebt hat, hat in seinem Leben eine Gelegenheit verpasst etwas über den Tod und den Sinn des Lebens zu lernen, bevor er selber stirbt. Darum finde ich es eine durchaus sinnvoll einem Menschen, der es uns erlaubt, im Fernsehn beim Sterben zuzusehen. Natürlich ist es besser, wenn man an der Bettkante sitzen und alle Sinneseindrücke des Sterbens selber wahrnehmen kann: den Geruch der Haut, das Geräusch des Atems und die Stille. Aber für die meisten Menschen in der ersten Welt ist das wohl eher nicht möglich.

Die Behauptung, dass dieser öffentlich gemachte Suizid weitere Selbsttötungen nach sich ziehen werde, halte ich für ein Scheinargument, um das eigene Entsetzen zu kaschieren. Wenn ich mich ganz auf das Sterben einlasse und erkenne, dass ich nicht immer diejenige sein werde, die am Bettrand sitzt, sondern irgendwann diejenige sein werde, die da liegt und stirbt, dann erschreckt mich das auch. Aber im selben Moment hoffe ich dann, dass jemand dort sitzt, der sich darauf einlassen kann, dass ich jetzt sterbe und nicht nur mit seiner eigenen Trauer beschäftigt ist. Ich wünsche mit dann jemanden, der mich in Ruhe begleitet und nicht versucht mich aufzuhalten mit seiner Trauer oder Hilflosigkeit gegenüber dem Tod.

Vielleicht ist das Sterben ganz einfach, vielleicht aber auch nicht.

Ein Buch das sich ausführlich mit dem Thema befasst ist das Tibetische Totenbuch
Wüstenfuchs

Berner Platte und Chuchichäschtli

Die Schweiz, ihre Klischees, ihre Kultur und Politik durch die Augen einer Deutschen gesehen.

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